Anfang der Woche habe ich ein Unternehmen besucht und bin wie immer zuerst durch die Fertigung gegangen.
Der Lean-Verantwortliche führte mich durch das Unternehmen. Am ersten Whiteboard erklärte er mir stolz, welche Informationen hier jeden Tag gesammelt und besprochen werden. Es war fachlich sauber und übersichtlich gestaltet. Mir persönlich mit ein wenig zu vielen Informationen und vor allem kaum für eine Kommunikation mit den Mitarbeitern geeignet.
Aber gut. Er war euphorisch. Beim Rundgang kamen wir dann an mehreren Boards vorbei. Ich natürlich neugierig, wird das hier gelebt? – Schon standen wir vor einem Datenfriedhof von vor zwei Wochen. Wie das? „Ja“, kam es dann stotternd heraus, „in manchen Bereichen funktioniert es einfach nicht“ Zufällig kam gerade der in diesem Bereich Verantwortliche vorbei. Ich habe Ihn natürlich sofort gefragt, warum das nicht gepflegt wird. „Ach schon wieder nicht, da muss ich wohl mal wieder richtig Dampf machen …“.
Wir haben uns dann brav verabschiedet und ich resümierte für mich:
- Er hat es zwei Wochen lang nicht bemerkt, dass das Board nicht aktualisiert wurde.
- Wenn das so ist, ist er auch nicht bei den morgendlichen Besprechungen dabei.
Also interessiert ihn das nicht.
Also hält er von der ganzen Sache nichts.
Also ist er auch kein Vorbild für seine Mitarbeiter.
Und wenn er das nicht ist, kann er nicht erwarten, dass seine Mitarbeiter es leben.
Auf das Gespräch mit dem Geschäftsführer war ich gespannt.
Seine Frage: „Wie war es?“ Habe ich dann wahrheitsgemäß geantwortet und ihm dann gesagt, dass er ein Führungs- und damit auch ein Umsetzungsproblem hat.
Er war erstaunt. „Wie haben Sie dies bei einem Rundgang gesehen?“ Daraufhin habe ich ihm meine Beobachtungen genannt: Erstens tolerieren Ihre Führungskräfte anscheinend Probleme bei Ordnung und Sauberkeit sowie sogar bei sicherheitsrelevanten Themen. Zweitens machen einige Ihrer Führungskräfte beim Shopfloor-Management nicht mit. „Aber genau dies ist das Problem, welches ich mit Ihnen besprechen wollte. Wie bekomme ich meine Führungskräfte dahin mitzumachen. Ich habe das mit allen besprochen und sogar in deren Zielvereinbarungen verankert. Das ist ihre Aufgabe.“
Und da hatte ich Ihn. Ich habe dann mit Ihm über die Vorbildfunktion der Führungskräfte gesprochen und über seine Rolle darin.
Es war nicht leicht, Ihm zu erklären, dass er derjenige ist, bei dem es anfangen muss. Dass er bei den morgendlichen Besprechungen als erste Instanz eine Viertelstunde opfern muss und ihm seine zweite Ebene erklärt, was gelaufen ist und was nicht gelaufen ist. Nur dann werden sich auch seine Führungskräfte an das Board stellen und das Shopfloor-Management ernst nehmen. Seine Ausreden und Gegenargumente waren zahlreich, aber nach zwei Stunden war er dann soweit.
Ob er es dann auch wirklich bei seinen vielen wichtigen Terminen lebt?
Bleiben Sie uns gewogen – bleiben Sie Lean.
Ihr Bodo Wiegand