Prinzipien bestimmen das Verhalten

2. Wiegands Warte im Oktober 2011

Prinzipien haben die Welt verändert – und tun es heute noch. Die Römer bauten ihre Weltmacht auf 3 Prinzipien auf:

  1. alle Römer sind gleich
  2. als Römer bin ich unantastbar
  3. zusammen sind wir stark

Die Prinzipien eines ethischen religiösen Verhaltens wurden in den 10 Geboten niedergelegt. Im Mittelalter hat der ritterliche Ehrenkodex die Verhaltensprinzipien bestimmt.

Diese Prinzipien haben die damalige Welt bestimmt und die Geschichte beeinflusst. Prinzipien bestimmen auch heute unser Verhalten.

Prinzipien, Industriegeschichte und Erfolg

In der jüngeren Industriegeschichte haben wiederum andere Prinzipien die industrielle Entwicklung bestimmt. So hat Taylor in einem von Mangel geprägten Verkäufermarkt die Formel „produziere soviel wie du kannst“ hinterlassen und das Fordsche Prinzip „produziere im Fluss“ verdrängt.

Favelas in Brasilien konnten entstehen, weil das Gesetz besagt: „ wenn eine Behausung 4 Wände und ein Dach hat, darf es nicht abgerissen werden.“

In Griechenland und der Türkei besagen die Baugesetze: „ wenn das Haus noch nicht fertig ist, braucht man keine Steuern zu zahlen.“

Prinzipien sind Werte des Handelns und bestimmen damit das Handeln selbst – ob wir es wollen oder nicht. Damit geben Prinzipien die Richtung des zukünftigen Handelns vor und bilden Leitplanken für das Handeln. Sie entscheiden damit über Erfolg oder Misserfolg.

Das Fordsche Prinzip „produziere im Fluss“ wurde von ihm erfolgreich praktiziert (Tin-Lizzy) aber bald wieder aufgegeben. Er merkte, dass die Beschränkung auf die Varianz 1 nicht die Wünsche der Kunden nach Individualität berücksichtigte.

Das Fordsche Prinzip wird vom Taylorschen Prinzip „bewege das Teil und sorge für Ausstoß“ abgelöst. Ein Prinzip des Verkäufermarktes der die Kostendegression bei geringer Varianz in den Vordergrund stellt. Wo immer ein Mangel besteht und die Grundbedürfnisse befriedigt werden müssen, hat das Taylorsche Prinzip auch heute noch Geltung.

Business on Demand setzt neue Prinzipien

Heute leben wir in einem Käufermarkt mit den 4 Dimensionen des Business on Demand. Wir wollen die höchste Verfügbarkeit der Produkte bei der größtmöglichen Individualität ohne Fehler bei den geringst möglichen Kosten.

Dies sind die heutigen Vorgaben des Marktes und wir müssen unsere Produktionssysteme auf diese Anforderungen ausrichten und sie neu gestalten.

Wenn wir anerkennen, dass Prinzipien die Grundlage für unser Verhalten bilden, muss es Prinzipien geben, um den Anforderungen gerecht zu werden, nach denen wir das Produktionssystem ausrichten müssen.

Diese Prinzipien wurden von Taiichi Ohno in den 50iger Jahren auf einer 1jährigen Studienreise entwickelt und bei Toyota als neues Toyota-Produktionssystem eingeführt. Und seit über 40 Jahren nicht verändert sondern nur weiterentwickelt und optimiert.

Hieraus erklärt sich der ungeheure Erfolg von Toyota.

Diese Prinzipien wurden von Prof. Daniel T. Jones und Jim Womack in ihrem Buch Lean Thinking niedergeschrieben und bilden die Grundlage für ein neues Handeln in der Umgebung eines Käufermarktes.

Die 4 Prinzipien des Lean Thinking

Das erste Prinzip „Kundenorientierung“ gibt die Ausrichtung des gesamten Unternehmens auf den Kunden als Prinzip vor. Alles ist Verschwendung was nicht dem Kunden Nutzen schafft. Das Prinzip heißt: „ Werte aus Sicht des Kunden ohne Verschwendung schaffen.“

Das 2. Prinzip befasst sich mit der Identifikation des Wertstroms, d.h., des Produktionsablaufes innerhalb des Unternehmens. Der Wertstrom gibt an, welche Ressourcen für die jeweiligen Produktionsschritte benötigt werden. Sei es im Produktionsunternehmen oder in der Verwaltung.

Danach folgen zwei auf den Produktionsprozess ausgerichtete Prinzipien „lass es fließen“ d.h., produziere möglichst alles im Fluss damit keine Verschwendung durch Wartezeiten und Wegezeiten entsteht und produziere nur das, was der Kunde auch will. D.h., arbeite nach dem pull Prinzip. Der Kundenwunsch stößt eine Produktion an und nicht die Planung nach dem push Prinzip.

Das letzte Prinzip „ Streben nach Perfektion“ steht für das Wort von Taiichi Ohno: „ no problem is a problem“ oder „der heutige Zustand ist immer der Schlechteste“. Nicht nur ein Prinzip – auch eine Lebensphilosophie.

Das 5. Prinzip der Standardisierung und Modularisierung

Heute können wir ein weiteres Prinzip für die Variantenfertigung von mittleren und großen Serien hinzufügen. Es handelt sich um das Prinzip Standardisierung und Modularisierung. Um die Varianz von Produkten ohne großen Kostenaufwand herzustellen, sollten die Einzelkomponenten modulartig – wie bei Legosteinen – aufgebaut sein und mit Hilfe von standardisierten Schnittstellen zusammengefügt werden, sodass die Varianz aus der beliebigen Zusammenstellung der Einzelmodule (Idealzustand) erzeugt wird und nicht als kundenspezifisches Einzelstück gefertigt werden muss.

Die Vorteile liegen klar auf der Hand, Module können in höheren Stückzahlen produziert werden. Kundenspezifische Konstruktionen und teure Einzelanfertigungen sind nicht notwendig, Die Fertigungszeit wird drastisch gesenkt und die Komplexität stark reduziert

Damit ergänzt das konstruktive Prinzip Standardisierung / Modularisierung die beiden fertigungsorganisatorischen Prinzipien von Dan Jones und Jim Womack.

Diese Prinzipien wurden in einer Branche, der Automobilindustrie, entwickelt. Dass diese Prinzipien nicht in jeder Branche Gültigkeit haben, erscheint einleuchtend. Denn jede Branche hat ihr eigenes auf diese Branche optimal zugeschnittenes Produktionssystem, dass wiederum nach ihren eigenen Prinzipien funktionieren. Wobei Werte aus Kundensicht schaffen, Identifikation des Wertstroms und Streben nach Perfektion immer ihre Gültigkeit behalten.

Betrachten wir z.B. die Prozessindustrie (Chemie, Pharma). Dort fließt der Prozess und darf nicht gestört werden, sodass das Flussprinzip systemimmanent ist. Hier gilt es, die Ausbeute aus dem Prozess zu steigern und den OEE mit allen Mitteln so hoch wie möglich zu treiben. D.h., das Flussprinzip wird durch das Prinzip „optimiere die Ausbeute“ ersetzt oder mit anderen Worten: „tue alles, damit der Prozess nicht unterbrochen wird und wenn du einen Produktwechsel hast, reinige und rüste so schnell du kannst, damit die Anlage läuft.“

Für die Instandhaltung heißt dies, „sorge dafür, dass keine Komponente die zum Stillstand der Anlage führen könnte, ausfällt.“ Deshalb ist die Redundanz eine wichtige Instandhaltungsstrategie in der Prozessindustrie. Für den Produktwechsel heißt das: „ bereite alles so vor, dass du keine Anlagenhauptzeit verschwendest“

Für die Anlagensteuerung bedeutet dies: „führe die Anlage am Optimum der Ausbeute und erkenne frühzeitig Probleme, die zum Stillstand führen können.“

Ähnliche Prinzipien gelten auch für die stark prozessorientierten Industrien wie z.B. die Stahlindustrie oder bei Gießereien.

Lean Management Prinzipien in unterschiedlichen Branchen

Schauen wir nun auf eine andere Branche wie z.B. die Branche der Servicedienstleister (z.B. Facilitymanagement Unternehmen oder Instandhalter). Hier können Pull- und Flussprinzip nicht wirken, sondern werden durch Standardisierung und Modularisierung ersetzt. D.h., in dieser Branche müssen die Abläufe am Ort des Geschehens nach optimierten standardisierten Vorgehensmodellen (Module) abgearbeitet werden.

In vielen Automobilwerkstätten wird dies bereits so gehandhabt. Schauen Sie sich aber Facilitymanagement- oder Verkehrsunternehmen wie z.B. Deutsche Bahn an. Sie werden feststellen, dass die Instandhaltungsaufgabe oder Schadensbehebung den einzelnen Mitarbeitern / Teams vor Ort überlassen wird. Um hier industrielle Maßstäbe und Effizienzsteigerung zu generieren, bedarf es der Standardisierung und Modularisierung der Tätigkeiten und Abläufe und dies Gewerke übergreifend.

Für in der Fläche arbeitende Organisationen kommt darüber hinaus das Prinzip der Flächenoptimierung zum tragen.

Für diese Unternehmen ist es nicht nur wichtig eine nach Lean Management Gesichtspunkten optimierte Dienstleistung standardisiert und modularisiert abzuliefern, sondern auch bezüglich Material, Logistik, Routenplanung und Standortplanung die richtigen Optimierungskriterien zu wählen.

Für die Baubranche oder im Anlagenbau gelten wiederum andere Spielregeln. Hier ist der Ort des Geschehens die Baustelle, die nach dem pull Prinzip organisiert werden muss. Dabei spielen Gewerke übergreifende Zusammenarbeit, gemeinsame Planung z.B. nach dem Last Planner Modell und die mobile Fabrik eine große Rolle für das Produktionssystem.

Ich denke anhand dieser wenigen Beispiele kann man erkennen, dass Prinzipien von Dan Jones und Jim Womack keine allgemeine Gültigkeit besitzen. Die Prinzipien, die auf die Fertigungsorganisation zielen, unterscheiden sich von Branche zu Branche und müssen angepasst werden.

Darüber hinaus ist festzustellen, dass das branchenspezifische Gesamtsystem (end to end) immer wieder auf die unternehmensspezifischen Gegebenheiten und dem Platz im gesamten end to end Prozess angepasst werden müssen, um das für das Unternehmen optimale Produktionssystem entwickeln zu können. Das bedeutet, dass auch Unternehmenskultur, Kern Know How, Stärken und Schwächen bei der Entwicklung eines unternehmensspezifischen Produktionssystem zu berücksichtigen sind.

Lean Thinking: Einklang von Zielen und Prinzipien als Unternehmenskultur

Lassen Sie mich zusammenfassen: Prinzipien bilden die Grundlage für unser gemeinschaftliches Verhalten. Damit haben sie starken Einfluss auf das Wirken. Vergleicht man Lean Unternehmen mit konventionell arbeitenden Unternehmen der gleichen Branche, so sind unglaubliche Effizienzsprünge feststellbar, die sich aus der Umsetzung der angepassten Lean Prinzipien herleiten lassen. Diese Prinzipien sorgen für die Ausrichtung des Unternehmens auf die gleichzeitige Erfüllung der vier heute relevanten Wettbewerbsfaktoren des Business on Demand (Verfügbarkeit, Individualität, Qualität und Kosten) Dass diese Prinzipien von Branche zu Branche divergieren können ist klar, behalten aber im Grunde ihre Gültigkeit.

Wenn Sie diese Prinzipien anwenden, dürfen Sie allerdings einen Fehler nicht machen.

Entwickeln Sie Ziele, die gegen diese von ihnen vorgegebenen Prinzipien verstoßen, werden Sie diese nie erreichen. Der Mensch ist erfinderisch und tut alles um sich selbst zu optimieren. Wenn Ziele und Prinzipien im Einklang sind, dann wird die Motivation gestärkt und die Zieloptimierung geschärft.

Was heißt das für unseren Unternehmensalltag? Prinzipien sind Leitplanken: „ Habe ich keine Ziele, kann ich keine Optimierung verlangen. Unterstütze ich die Ziele nicht durch die Vorgabe von Prinzipien nach denen ich die Ziele erreicht haben möchte, dann wird sich jeder seinen Weg zum Ziel suchen.“

Bleiben Sie uns gewogen – bleiben Sie Lean.

Ihr Bodo Wiegand

Der Lean Management Summit am 20./21. Oktober in Berlin

Als Führungskraft habe ich die Aufgabe, Ziele und Prinzipien vorzugeben und dafür zu sorgen, dass sie im Einklang stehen. Dann kann ich sicher sein, dass alle in die gleiche Richtung laufen, dass alle nur das eine wollen und motiviert sind, nach den Vorgaben, Zielen und Prinzipien zu arbeiten und damit die von ihnen gewünschten Ergebnisse erzielen.

Wenn Sie diesen Ansatz kennenlernen möchten, kommen Sie zu unserem Lean Summit in Berlin vom 20. bis 21. Oktober 2011 – Es gibt lediglich noch 5 freie Plätze im Workshop mit Dan Jones.

Melden Sie sich gleich hier an: http://www.lean-management-summit.com/ 

 

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