Im Rahmen meiner 30 Besuche bei Unternehmen in diesem und letztem Jahr habe ich viele Ausprägungen von Shopfloormanagement kennenlernen dürfen. Einige waren toll aufbereitet, ob händisch geführt, wie ich es bevorzuge, da alle alles sehen können, oder auch mit dem Rechner und einer Datenbank.
Häufigste Ausprägung von Shopfloormanagement war der Aufbau einer Informationspyramide zum Chef. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Das halte ich für wichtig, doch wenn es nur zur schnellen Information des Chefs oder der Führungskraft dient???
Oft wurden Probleme nicht oder nur unzureichend bearbeitet. Mit unzureichend meine ich, die Sofortmaßnahme wurde unter den Anwesenden diskutiert und dann umgesetzt und damit war das Problem zwar gelöst, doch eine konsequente Aufarbeitung der Ursachen fand meist nicht statt.
Mitarbeiter vor Ort wurden nur in 3 Fällen mit einbezogen und eine funktionierende, gelebte und durchgängige Problemlösungssystematik habe ich nur in 2 Unternehmen angetroffen!
Nun, wenn man dies so erlebt, wird man das Gefühl nicht los, dass das Thema Shopfloormanagement eine Modeerscheinung ist, die zur höheren Transparenz und schnellen Informationsverarbeitung dienen soll. Doch für mich heißt Shopfloormanagement – Management vor Ort –
und da geht es für mich zuerst einmal darum, auftretende Probleme nachhaltig zu lösen,
- Prozesse stabiler zu gestalten, so, dass keine Probleme mehr auftreten
- Handlungsempfehlungen aufzuzeigen,
- Mitarbeitern Lösungskompetenz und Verantwortung zu geben,
- anhand der monatlichen Auditergebnisse aufzuzeigen – wo stehen wir und
- natürlich auch Mitarbeiter und Führungskräfte zu informieren, wie es laufen soll und wie es gelaufen ist.
Deshalb sollte ein gelebtes Shopfloormanagement folgende Elemente beinhalten:
- Am Shopfloormanagement sollten alle teilhaben.
- Problemlösungskompetenz – Shopfloormanagement sollte nicht vergangenheitsorientiert sondern lösungsorientiert gelebt werden.
- Auftretende Probleme sind Chancen zur Verbesserung und sollten mit Hilfe einer gelebten Problemlösungssystematik aufgearbeitet werden, sodass sie nie wieder auftreten.
- Handlungskompetenz – Shopfloormanagement sollte Anleitung zum Handeln geben und
- Informationszentrale sein.
Problemlösungskompetenz
Für mich sollte ein Shopfloormanagement so ausgestaltet sein, dass es in den jeweiligen Bereichen vor Ort alle mit einbezieht. Alle Mitarbeiter sollten daran teilhaben und nicht nur vom Teamleiter/Meister aufwärts. Für alle sollte der Shopfloormanagement-Bereich jederzeit zugänglich sein und alle Probleme jederzeit notiert und die Erfolge jederzeit sichtbar gemacht werden. Für mich sollte die Besprechung am Whiteboard am Anfang der Schicht stattfinden, sodass jeder Mitarbeiter Gelegenheit hat, sich zu den Problemen des letzten Tages zu äußern und zu den Erfolgen Stellung zu nehmen, warum es so gut oder schlecht geklappt hat. Alle aufgetretenen Probleme während der letzten Schicht sollten danach beurteilt werden, ob diese noch am selben Tag, z.B. vor der nächsten Schicht oder in der kommenden Woche gelöst werden können.
Es ist wichtig, die Mitarbeiter vor Ort hierbei einzubeziehen, denn diese wissen häufig genau, wo die Ursachen der Probleme liegen und wie man sie abstellen könnte. Nur durch die Einbeziehung dieser in die Problemlösungssystematik wird es gelingen, die Mitarbeiter zum Mitdenken anzuregen und die Intelligenz aller Mitarbeiter für das Unternehmen nutzbar zu machen. Das heißt, am Morgen können dann die Erkenntnisse und vielleicht schon die Lösungen für die aufgetretenen Probleme diskutiert und kommuniziert werden. Sollten die Probleme nicht sofort an diesem Tag lösbar sein, sollten die Probleme auf der Zeitschiene eine Woche später getaktet werden. Stellt man auch nach dem Durchlaufen eines PDCA nach einer Woche fest, dass das Problem komplexer ist, sollte die Karte dann einen Monat weiter gesteckt werden und ein A3 vom Verantwortlichen gefertigt sowie ein Team zur Problemlösung gebildet werden.
Im Bereich der Problemlösung am Whiteboard sollte ein Bereich für die Problemerfassung reserviert sein. Hier kann jeder Mitarbeiter jederzeit eine Karte mit seinem Problem einstecken. Diese werden dann in der morgendlichen Besprechung auf den erwarteten Lösungshorizont Tag/Woche/Monat/Geschäftsführung gesteckt. Ziel sollte es sein, die Probleme so schnell wie möglich, maximal aber innerhalb eines Monats, nachhaltig zu lösen.
Die Karten sollten vorne die Rubriken Problem, Verantwortung, Erledigungsdaten, Sofortmaßnahmen enthalten. Auf der Rückseite sollte andersfarbig die Problemlösung, Umsetzungsgrad, Verantwortlicher, Umsetzungsdatum, Messgröße zur Feststellung des Erfolges und das Datum, von wann bis wann diese Problemlösung im Rahmen der wöchentlichen Audits gelöst wird. Der letzte Punkt ist für mich besonders wichtig, denn ich möchte nicht nur, dass die Problemlösung umgesetzt wird, sondern ich möchte auch wissen, ob diese das Problem nachhaltig beobachtet haben und somit erfolgreich war.
Am Whiteboard sollte auch eine Zweimonatsübersicht sichtbar sein, die jeweils rollierend einen Monat umfasst. Das heißt, es werden alle problem- oder projektbezogenen Karten so gesteckt, dass sie maximal einen Monat auf der Zeitschiene umfassen. Hierdurch wird gewährleistet, dass jedes Thema mindestens einmal im Monat angesprochen und gezielt in den Problemlösungszyklus einbezogen wird.
Die aufgetretenen Probleme, die an einem Tag gelöst werden können, werden von den Mitarbeitern vor Ort gelöst und verantwortet.
Die Themen, die eine Woche zur Lösung und Umsetzung benötigen, werden auf der Teamleiter-/Meisterebene verantwortet.
Probleme, die mit einmonatiger Lösungsdauer abgeschätzt werden, müssen von einem Betriebsleiter oder Bereichsleiter bearbeitet und geführt werden, da hier schnittstellenübergreifende Lösungskompetenz gefordert wird. Diese Projekte sollten im Team gelöst und mit Hilfe eines A3 dokumentiert werden.
Alle Probleme, die länger als einen Monat zur Lösungsfindung bzw. Umsetzung benötigen, werden zu Themen der Geschäftsführung.
Diese Eskalationsstufen sind für mich wichtig, da hierdurch der Druck, die Probleme schnell zu lösen, wächst und die Disziplin, Probleme sofort anzugehen, höher wird. Denn wer möchte schon, dass Probleme eine Ebene weiter nach oben gemeldet werden und dort für Aufmerksamkeit sorgen?
Die Einbeziehung der gesamten Belegschaft ist für mich deshalb so wichtig, weil für mich eine funktionierende Problemlösungssystematik 4 Elemente beinhaltet:
- Reagieren
- Verstehen
- Handeln
- Praktizieren
In allen 4 Elementen bildet der Mitarbeiter vor Ort ein entscheidendes Element.
Er muss richtig reagieren, wenn das Problem auftritt. Das heißt, er muss darin geschult werden, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen, wenn ein Problem an seinem Arbeitsplatz oder in seinem Umfeld auftritt.
Ich kann das Problem nicht verstehen und die Problemursachen herausfinden, wenn ich nicht die beteiligten Mitarbeiter vor Ort frage und in die Lösungsfindung mit einbeziehe.
Ich kann nicht handeln und die Lösung umsetzen, ohne den Mitarbeiter vor Ort über das Geschehene zu informieren und ihn dazu zu bewegen, etwas anders zu tun als bisher. Denn nur wenn ich dem Mitarbeiter Verantwortung dafür gebe, dass das Problem nicht mehr auftritt, kann ich das Problem nachhaltig beseitigen.
Das heißt, es geht nicht nur darum, die Lösung umzusetzen, sondern darum, alle mit einzubeziehen, die neue Situation anzunehmen und in den Tagesablauf einzubeziehen, sodass das Problem nie wieder auftritt.
Dies nenne ich praktizieren.
Bleiben Sie uns gewogen – bleiben Sie Lean.
Ihr Bodo Wiegand
P.S.: Wir laden Sie ein zum 12. Lean Management Summit vom 2. – 4. November 2016 in Düsseldorf