Ist die Möglichkeit Homeoffice Tage zu haben ein Geschenk des Arbeitgebers oder eine in der heutigen Zeit sinnvolle Ergänzung???
Eigentlich wissen wir doch alle, dass das Homeoffice nicht unbedingt die Arbeitsproduktivität steigert.
Nur unter bestimmten Voraussetzungen kann die Arbeit im Homeoffice eine sinnvolle Ergänzung zum Arbeitsalltag im Unternehmen sein.
Die zu erledigende Aufgabe muss klar definiert und ein störungsfreies Arbeiten muss gewährleistet sein.
Wenn ich ein Buch schreibe, dann schalte ich alles, was mich irgendwie stören könnte, ab und kapsle mich derart ab, dass keiner mich zu stören wagt.
Warum mache ich das so??
Weil ich diese Aufgabe nur erledigen kann, wenn ich durchgängig und ohne Unterbrechung daran arbeite.
Und…. bitte nicht stören!!!
Warum ist das so??
Geistige Rüstzeit für komplexe Tätigkeiten
Nun, wir Menschen haben alle eine sogenannte „geistige Rüstzeit“. D.h. nach jeder Störung brauchen wir eine gewisse Zeit, um uns wieder in unseren vorherigen Gedanken einzufinden.
Je nach Komplexität der Aufgabe braucht der Ingenieur oder Entwickler 12-15 Minuten, um sich wieder in sein gerade zu bearbeitendes Projekt zu denken.
Einem Buchhalter kostet jedwede Störung 6-8 Minuten, um wieder dort anzusetzen, wo er vorher war.
Eine Assistentin benötigt ungefähr 57 Sekunden nach einer Störung.
Alles in wissenschaftlichen Studien bewiesene Fakten.
Alltag im Unternehmen
Doch schauen Sie mal in eine Entwicklungsabteilung… so wie ich letztens.
Die Kollegen laufen ständig herum, das Telefon klingelt oder vibriert, sie lesen ihre E-Mails immer sofort oder der Kollege kommt vorbei und hat Fragen.
Bei diesem Besuch wurden die Mitarbeiter in dieser Abteilung im Durchschnitt jede 18-20 Minuten gestört. D.h., sie konnten kaum 3-5 Minuten ungestört an der Erledigung ihrer Aufgabe arbeiten.
Aber genau das passiert doch auch in unseren Wohnungen, wenn wir Homeoffice haben.
Wenn der Postmann zweimal klingelt …
Der Postbote kommt, der Mitarbeiter nimmt das Paket für den Nachbarn an, er holt die Kinder zwischendurch ab, versorgt sie nebenbei, geht ans Handy, liest E-Mails und nimmt an einer Teams-Besprechung Teil und und ….
Natürlich gibt es auch viele Störungen im Büro, wenn wir diese zulassen.
Was hindert uns daran, auch im Büro zu bestimmten Zeiten die Tür zuzumachen?Damit signalisiere ich den lieben Kollegen – ich bin nicht erreichbar, bitte nicht stören. Warum reduzieren wir Besprechungen nicht auf das notwendige Maß? Warum schalten wir das Telefon nicht stumm? Und schließen das Mailprogramm für eine gewisse Zeit?
In meinem neuen Buch „Entlastung der Führungskräfte“ gebe ich konkrete Hinweise, wie man die Arbeitsproduktivität um 20% steigern oder die Belastung um 20% reduzieren kann.
Homeoffice – ineffizient und voller Sicherheitslücken
Was absolut nicht geht und wo jeder von Ihnen im Homeoffice aufpassen sollte, kann ich an einem Beispiel kurz schildern:
Vor kurzem brauchte ich die Auskunft einer Behörde. Diese habe ich dann per E-Mail angefragt und 14 Tage nichts gehört. Ich habe dann zum Telefon gegriffen und die Behörde in meiner Stadt angerufen.
Es meldete sich eine Dame und sprach fürchterlich leise. Auf meine Frage hin, warum sie denn so leise spreche, antwortete sie mir: „Wissen Sie Herr Wiegand, ich sitze gerade im Homeoffice und möchte nicht, dass meine Nachbarn das Gespräch mitbekommen.“
Dann habe ich nach meinem Anliegen gefragt. Die Antwort: „Das kann ich Ihnen nicht beantworten, da dies eine behördliche Angelegenheit ist, die ich im Homeoffice nicht besprechen darf.“
Darauf ich: „Das sind doch keine Geheimnisse, ich möchte nur wissen, welches Formular ich zu welcher Dienststelle schicken soll und was für Unterlagen ich einreichen muss.“ „Das ist mir bekannt, darf ich aber vom Homeoffice aus nicht beantworten“
Ach sooooooooooooo!!!!!!!!
Nach einigem hin und her, hat Sie mir dann gesagt, dass sie mir diese Informationen nach unserem Gespräch sofort schickt.
Ich meine, wo sind wir denn, dass ich eine offizielle Nummer anrufe, im Homeoffice lande und keine Auskunft bekomme?
Aber ernsthaft!!! Das Sicherheitsproblem im Homeoffice ist evident und in 99% der Fälle nicht gelöst.
VPN hin oder her. Im Homeoffice kann ich elektronisch angezapft werden – bitte sprechen Sie diesbezüglich mit Ihrem IT-Sicherheitsverantwortlichen – aber auch das Mithören durch dünne Wände oder auf dem Balkon muss vermieden werden.
Entlastung der Führungskräfte und anderer Mitarbeiter
Was ist nun mein Vorschlag:
Alle Mitarbeiter und Führungskräfte, die Projekte bearbeiten, sollten an einem Tag bspw. alle freitags, die zu erledigenden Projekte im Homeoffice bearbeiten. Dabei ist darauf zu achten, dass dies eine klar definierte Aufgabe ist, deren Projektfortschritt jeweils berichtet wird. Und vor allem muss sicher gestellt sein, dass störungsfrei gearbeitet werden kann.
Den Mitarbeitenden, bei denen dies nicht gewährleistet werden kann, sollte das Unternehmen Räume zur Verfügung stellen, in denen man ohne Störung arbeiten kann.
Das Handy für Ausnahmefälle bspw. bei familiären Notfällen, kann bei einem Kollegen deponiert und über den Klingelton adressiert werden.
Darüber hinaus sollte man besonders in den Bereichen, in denen Ingenieure, Entwickler oder auch z.B. Buchhalter arbeiten, störungsfreie Zeiten einführen.
4 Stunden täglich haben sich dabei bewährt.
Bleiben Sie uns gewogen und bleiben Sie vor allem Lean!
Ihr
Dr. Bodo Wiegand
P.S. Sie finden, Sie haben keine Zeit? Hier meine Überlegungen dazu.