Gehen lernen in der Verwaltung

Letzte Woche war ich bei einem Unternehmen, bei dem ich die Geschäftsführung coache. Dort kam die Frage auf: Wie können wir denn in der Verwaltung unsere 5S-Walks durchführen und dort gehen lernen.

Nun dies ist eine interessante Frage und eben nicht so leicht wie auf dem Shopfloor, doch im Prinzip ähnlich.

Das äußere Bild einzufangen gelingt am besten, wenn man sich zuerst die Sozialbereiche anschaut. Wie sieht es in der Küche aus, wie am Kopierer oder in der Bibliothek? Ist alles beschriftet, befinden sich die richtigen Gegenstände an der richtigen Stelle und was steht an den Infotafeln? Werden die Informationen gepflegt, hängen alte Informationen dort, sind die Mess- und Kenngrößen aktuell oder hinken sie hinterher?

Sollte Ihnen hier etwas auffallen, holen Sie die Abteilung zusammen und klären Sie die Verantwortung. Wer war, wer ist zuständig? Appellieren Sie dann an den Teamgeist und betonen die Notwendigkeit von 5S.

Nehmen Sie dies dann auch zum Anlass, einen Blick in die Büros zu werfen und lassen Sie sich die Ablage erklären, schauen Sie, was auf dem Schreibtisch liegt und welche Stapel wie in den Schränken abgelegt sind. Aber bitte schauen Sie niemals in den Schreibtisch. Dies ist ein Persönlichkeitsbereich, der unangetastet bleiben sollte.

Sprechen Sie dann mit den Mitarbeitern über das Gesehene und erklären Sie ihm, was Ihnen nicht gefallen hat. Sollte sich dies wiederholen, kleben Sie einen roten Punkt auf die Tür. Erstens sehen Sie dann, wo Sie immer mal wieder reinschauen müssen. Zweitens hat dies eine „teambildende“ Wirkung.

Aber wenn Sie dies machen, sprechen Sie dies zuerst mit den Mitarbeitern und dem Betriebsrat durch.

Aber warum sollten Sie die Verwaltung anders behandeln als die Produktion?

Ein weiteres Element des Verwaltungs-Walks bildet der Besuch der Besprechungsräume. Auch hier sollte Ordnung und Sauberkeit kein Problem sein, sonder ist ein Muss. Hängen noch beschriebene Flipcharts aus? Sind Whiteboards sauber, stehen Tassen, etc. herum? Schauen Sie sich die visualisierte Raumplanung an. Wie lange dauern die Sitzungen im Durchschnitt? Bei allen routinemäßigen Sitzungen, die länger als 30 Minuten dauern, gehen Sie in die Sitzungen und diskutieren, warum dies so ist. Waren diese schlecht vorbereitet? Worüber wird diskutiert? Warum dauert es so lange?

Ein Praxisbeispiel: Als ich Produktionsleiter war, dauerte die morgendliche Produktionsbesprechung bis zu 2 Stunden. Das gesamte Führungspersonal sowie die Disposition und der Vertrieb waren versammelt. Jeder hatte seinen Kaffee vor sich, manche kamen zu spät. Das Erste, was ich damals gemacht habe, war, die Stühle zu entfernen. Sofortiger Erfolg: Eine Stunde kürzere Besprechungszeit. Dann haben wir eine Agenda aufgestellt und aus jedem Bereich nur einen Vertreter benannt. Darüber hinaus haben wir uns nur noch um die Problemfälle gekümmert. Danach hat es nur noch 30 Minuten gedauert – mit Stühlen.

Aber auch nicht routinemäßige Sitzungen sollten nicht länger als 2 Stunden dauern.

In den Sitzungen, in denen Sie anwesend sind, achten Sie auch darauf, dass der Besprechungsknigge eingehalten wird, eine Agenda vorliegt und die Mitarbeiter vorbereitet in die Sitzungen kommen, sowie darauf, dass Termine von Maßnahmenplänen unbedingt eingehalten werden sollten.

Ein weiterer wichtiger Anlaufpunkt bilden die KVP-Boards. Besuchen Sie die KVP-Boards zusammen mit Ihrem Lean Expert regelmäßig. Holen Sie den für diesen Bereich zuständigen Lean Junior Expert dazu und diskutieren mit ihm, was verbessert wurde und wie sich etwas verändert hat. Erste Maßnahmen sollten die Umsetzung 5S betreffen, dann rücken die abteilungsinternen Prozesse in den Fokus der Verbesserungsprojekte.

Bitte beachten Sie, dass auch dies ein von Ihnen gesteuerter Prozess bleibt und Sie mit Ihrem Lean Expert auf Basis der Prozesslandkarte und der identifizierten Problempunkte, z.B. Qualität, Engpässe, Durchlaufzeit, die Themen für die Bereiche festlegen. Hierdurch wird gewährleistet, dass alle Abteilungen an den Hauptproblemen arbeiten und nicht daran, was für Sie Spaß macht. Natürlich können Sie auch auf Ihre Vorschläge eingehen, aber nur in Ausnahmefällen und wenn es in Ihren Plan passt und es wirklich Sinn macht.

Meine beiden Lieblingsthemen jetzt zum Schluss. Überprüfen Sie täglich, ob der E-Mail-Knigge eingehalten wird und schicken Sie ab und zu Testmails raus. Beschwert sich jemand? Fällt es jemandem auf?

Dann das letzte Thema: Denken Sie bitte an einen der größten Kostenfresser und organisatorischen Friedhöfe in der Verwaltung – die Ablage. Haben Sie ein Ablagesystem entwickelt, in das jeder hineinarbeitet und halten sich alle Mitarbeiter daran? Wird in Ihrem Unternehmen die Vorgabe – jede Zahl nur an einer Kostenstelle zu hosten – gelebt? Sie sparen riesige Speicherplatzkapazitäten, häufige Doppel- sowie Mehrarbeit und reduzieren Komplexität.

Wie bereits in meiner WiegandsWarte im März geschildert, hat 5S in der Administration mehr Elemente als nur Ordnung und Sauberkeit in den Büros. Es gehören auch die Elemente KVP, Besprechungsknigge, E-Mail-Knigge und ein funktionierendes Ablagesystem dazu. So lassen sich schnell 3 bis 10 % der Verwaltungskosten einsparen.

Fangen Sie an – jetzt – und kommen Sie zu unserem Lean Management Summit in Berlin vom 24. bis zum 26. Oktober.

Bleiben Sie uns gewogen – bleiben Sie Lean.

Ihr Bodo Wiegand

1 Gedanke zu „Gehen lernen in der Verwaltung“

  1. Aus meiner aktiven Zeit bei einem OEM waren sämtliche Besprechungen von mir auf max. 60 min ausgelegt. Da wir meist am Laptop im Besprechungsraum arbeiteten war ein schneller Blick auf die Rechneruhr stets möglich, um das Ganze im Rahmen zu halten.

    Die größte Veränderung, insbesondere, um Besprechungen schnell Revue passieren zu lassen, habe ich bei einem Leadership Workshop in Finnland mitgenommen. Dort wird es MOTOROLA genannt, da Motorola vor vielen Jahren festgestellt hatte, dass die Besprechungen über Gebühr ausgedehnt wurden. Am Ende einer Besprechung wurden allen Teilnehmern vier kurze Fragen gestellt:

    1. Was war gut?
    2. Was war schlecht?
    3. Was habe ich gelernt?
    4. Was mache ich beim nächsten Mal anders?

    Diese Art der Reflexion verwende ich in abgewandelter Form nicht nur bei Besprechungen sondern auch bei Kritiken von Opernbesuchen an der Semperoper (auch wenn es dann in erster Linie zunächst für mich persönlich ist).

    Der Tip die Besprechungen ohne Stühle vorzunehmen kann ich nur bestätigen, ist doch die Kurzbesprechung am Stehtisch stets die effektivste gewesen!

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