Krankheitsquote – ein Führungsproblem

„800 unentschuldigte Fehlstunden in der Lehre sind kein sozialwidriges Verhalten“ *, entschied das Bundessozialgericht jüngst.

Sorry, aber was ist denn sonst sozialwidriges Verhalten, wenn nicht diese Krankheitsquote?

100 Tage von 220 Tagen fehlen – ich gehe mal davon aus – bewusst fehlen, sonst hätte der Arbeitgeber einen 24järigen Auszubildenden nicht entlassen dürfen.

Letztens waren wir in einem Krankenhaus. Auf jeder Station, in jedem Funktionsbereich haben wir 1-2 Mitarbeiter identifiziert, die mehr als 10% „krank“ waren, aber komischerweise alle Dienste – aber wirklich alle Dienste – geleistet haben.

Also wenn es mehr Geld pro Stunde gibt, dann kann man arbeiten, wenn nicht, kann man ja mal „krank“ werden. Seltsam, oder?

Aber was macht die Krankenhausleitung? Nichts!!

Warum befreit sie aus Führsorgepflicht nicht die Mitarbeiter, die mehr als 10% Krankenquote haben, von den anstrengenden Diensten – nachts und am Wochenende?

Das wäre die logische Konsequenz und würde doch der Führsorgepflicht des Arbeitgebers entsprechen.

Und glauben Sie mir, die Krankenquote dieser Mitarbeiter würde sich wie durch ein Wunder auf 9,99% senken, damit sie auf die Zusatzverdienste nicht verzichten müssten.

Aber dies ist keineswegs ein Phänomen im Krankenhaus, es grassiert überall.

Im anderen Fall sind es die Championsleague-Spiele, der Verein, der Sport, die Frau etc.

In mehreren Unternehmen haben wir festgestellt, dass die Führungskraft für die Krankheitsquote verantwortlich ist. Wir haben Meister mit einer hohen Krankheitsquote in einen Bereich versetzt, der eine niedrige Krankheitsquote hatte. Es hat kein halbes Jahr gedauert, da war die Krankheitsquote anscheinend auf seinem personenspezifischen alten hohen Stand. Andersherum haben wir es genauso erlebt. Plötzlich ist der Krankenstand auf ein niedriges Niveau gesunken. Es scheint also ein Führungsproblem zu sein.

Wenn es keine gesundheitlichen Probleme sind, kommen natürlich auch Gründe der Über- oder Unterforderung, der Unzufriedenheit mit dem Arbeitsplatz oder der nervige Vorgesetzte in Frage.

Letztgenannte Gründe sind jedoch wieder abhängig von der Führungskraft.

Aber was ist zu tun?

  1. Zuerst einmal: entfernen Sie alle Grafiken mit einer Krankheitsquote und dann noch möglichst mit einer Ziellinie von z.B. 3%. Warum? Wer die 3% noch nicht erreicht hat und noch nicht krank war, könnte das ja als Zielgröße verstehen und dann die 3% erreichen wollen. Nennen Sie es Gesundheitsquote und ziehen Sie bitte keine Linie ein. 100% ist das Ziel sonst nichts.
  2. Identifizieren Sie Ihre 5% plus Mitarbeiter und versuchen zusammen mit der Personalabteilung Zusammenhänge zu identifizieren. Ist er jedes Jahr um die gleiche Zeit krank durch z.B. Dienste, Fußballspiele, Vereinsaktivitäten etc. oder tritt es das erste Mal auf? Sind familiäre oder finanzielle Gründe dafür verantwortlich? Sprechen Sie mit dem Mitarbeiter und versuchen mit ihm zusammen die Gründe zu erforschen. Bieten Sie ihm Hilfe an und zeigen ihm Möglichkeiten auf, wie er Beruf und z.B. Familie oder Sport organisieren kann. Aber zeigen Sie ihm auch Konsequenzen auf.
  3. Geben Sie einen offiziellen Eskalationsweg an Ihre Mitarbeiter. Wenn jemand mehr als 3% fehlt, dann gibt es Rückführungsgespräche mit der nächsten Führungsebene. Bei mehr als 5% mit der darüberliegenden Führungsebene, bei mehr als 10% mit dem Werkleiter. Bei mehr als 10% scheint er mit dem Job überfordert und die Sorgfaltspflicht verpflichtet das Unternehmen einzugreifen und muss ihn versetzen, da man sonst langfristig gesundheitliche Schäden befürchten muss.
  4. Schulen Sie Ihre Führungskräfte, klären Sie sie auf, was für Möglichkeiten sie haben oder wie Sie z.B. die Rückführungsgespräche führen können und verlangen von Ihren Führungskräften konsequentes Handeln.

Bei dem o.g. Fall frage ich mich nur, was für eine Engelsgeduld dieser Arbeitgeber hatte, erst die Konsequenz bei 800 Fehlstunden zu ziehen.

Vergessen Sie nie, dass das Zulassen solcher Unregelmäßigkeiten Vorbildfunktion hat und damit Nachahmer finden wird.

Nur durch gezieltes, konsequentes Verhalten werden Sie dem Herr.

Bleiben Sie uns gewogen – bleiben Sie liegen.

Ihr B. Wiegand

*siehe Bild vom 30.08.2019

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