Der Controller als Lean Manager (Teil 2)

Lean Cost Management

„Viele Workshops – tolle Resultate – aber kein messbares Ergebnis“, so sieht häufig die Bilanz von zu nächst vielversprechend gestarteten Optimierungsprojekten aus, mit denen die Leistungsfähigkeit und die Effizienz eines Produktionssystems gesteigert werden sollte.

Die Einführung von Lean Management mit dem Ziel, die Abläufe effizienter zu gestalten, die Wettbewerbsposition des Unternehmens zu stärken, Wachstum zu generieren und Arbeitsplätze zu sichern, stellt die Akteure – nicht anders als bei anderen Veränderungsprojekten – häufig vor das Problem, die Erfolge messbar aufzuzeigen.

Liegt dies daran, dass die Optimierungsmaßnahmen nicht gefruchtet haben und die Effizienz nicht gesteigert worden ist oder etwa daran, dass man dies im Controlling herkömmlicher Art nicht feststellen konnte?

Eine Firma, die Lean Management-Methoden einsetzt, zielt darauf ab, effiziente Prozesse zu gestalten und Verschwendung in der Wertschöpfung zu vermeiden. Dafür bietet Lean Management verschiedene Ansätze und Methoden, die erfolgreich in der Produktion ebenso wie in indirekten Bereichen genutzt werden können.

Neben diesen Veränderungen entlang der Wertschöpfungskette erfordert Lean Thinking auch für die Kostenrechnung ein Umdenken, da klassische Verfahren die Vorteile des Lean Managements regelmäßig nicht widerspiegeln. Ansatzpunkte zur Optimierung werden eher verdeckt, als dass sie Handlungsbedarf aufzeigen.

So fördert die Logik des Gemeinkostenzuschlags den Aufbau von Beständen, da auch unverkaufte Produkte Gemeinkosten zugerechnet und die Bestände mit diesem Wert aktiviert werden. Folglich motiviert die Kostenrechnung dazu, Bestände aufzubauen, während es beim Lean Management darum geht, Bestände als ineffizient und teure Art der Verschwendung abzubauen.

Beurteilung des Lean Cost Management-Systems

Ebenso gehen die typischen Verschwendungsformen Überkapazität und nicht angemessener Technologieeinsatz in hohen Zuschlagssätzen unter. Werden zudem Umrüstvorgänge als nicht produktive Zeiten minimiert, entsteht eine Tendenz zu größeren Losen, die wiederum nicht „lean“ sind, da sie den kontinuierlichen Fluss unterbrechen und die Durchlaufzeit erhöhen. Lean-gerecht ist dagegen häufiges und schnelles Umrüsten, um kleine Lose und hohe Flexibilität zu ermöglichen.

Hier stoßen anscheinend die herkömmlichen Kostenrechnungssysteme an ihre Grenzen. Lean bedeutet, Werte ohne Verschwendung schaffen und das Lean Management wird eingesetzt, um Lean Thinking umzusetzen. Das Eliminieren von Verschwendung ist in der Bedeutung nicht reduzierbar auf die bloße Vermeidung von Kosten. Es gilt aus Unternehmensgesamtsicht, Werte für den Kunden zu schaffen. Daher sollte das Controlling explizit den Kundennutzen hinterfragen und versuchen, alle nicht nutzenstiftenden Aktivitäten als Form der Ineffizienz dauerhaft zu verhindern bzw. einzuschränken. Die Reduktion gegenwärtiger Kosten ist deshalb nicht primäre Zielsetzung.

Im Fokus von Lean Management stehen somit Zukunftsfähigkeit, Flexibilität und Nachhaltigkeit. Diese Ziele werden durch Flussorientierung, Standardisierung und KVP abgesichert.

Doch beurteilt man neuere Kostenrechnungssysteme, stellt man fest, dass jedes dieser Systeme auch Schwachstellen beinhaltet und zum Teil erheblichen Mehraufwand und vor allem Umstellung des gesamten bisherigen weitverbreiteten Standardkostensystem bedeutet. Wobei die Anforderungen aus Bilanzierungsrichtlinien und Finanzgesichtspunkten noch gar nicht beurteilt sind und einige Systeme als Leitsysteme völlig ausfallen würden.

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Wenn man nicht das ganze Unternehmen im Wertstrom abgebildet hat und somit die Generation an Informationen quasi automatisch abläuft, wenn man die steuerlichen und finanzgesetzmäßigen Anforderungen nicht erfüllen kann, würde ein paralleles Führen dieser Systeme auch wiederum Verschwendung bedeuten und damit nicht wirklich Lean sein.

Die Frage lautet also: Wie können wir unser herkömmliches Kostenrechnungssystem optimieren, damit es die Effekte des Lean Managements adaptiert und zu keinen Fehlsteuerungen führt und höhere Transparenz schafft?

Lean Management bietet einige Ansatzpunkte für eine realitätsnähere Kostenrechnung.

  • Durch den Einsatz des Value Stream Mappings (Wertstromanalyse) werden Zusammenhänge aufgezeigt, die in der Regel vorher unklar waren. -> Detaillierte Erfassung gelebter Prozesse, Schnittstellen und Kostentreibern.
  • Die Analysemethoden des Lean Managements zeigen das tatsächliche Mengen- und Zeitgerüst (z. B. Bestände, Kapazitäten, Prozess-, Warte- und Rückfragezeiten) auf. -> Wichtiger Beitrag zur Quantifizierung der Ressourcen.
  • Die Gestaltung von Lean-Prinzipien trägt dazu bei, Komplexität zu reduzieren, Strukturen zu vereinfachen sowie die Transparenz zu erhöhen. -> Das Richtige zu messen gelingt leichter.
  • Die Gestaltung nach Lean-Prinzipien steigert Flexibilität und Lieferfähigkeit. -> Stärkung der Wettbewerbsposition deckt zusätzliche Kosten ab.

Lean deckt schonungslos Verschwendung auf und klassifiziert Prozesse nach Handlungen in wertschöpfende (-> optimieren), nicht wertschöpfend, aber notwendig (-> reduzieren) und Verschwendung (-> eliminieren), so dass der Gedanke, Kosten nach diesen Kritierien zu unterscheiden, naheliegend erscheint. Untergliedert man noch Verschwendung in die zwei hauptsächlichen Kostentreiber Überkapazität und Ineffizienz, so können wir aus Sicht des Lean Managements Kosten auf vier Arten unterscheiden:

  • Kosten, die zur Wertschöpfung benötigt werden,
  • Kosten, die zwar notwendig sind, aber eigentlich Verschwendung sind (z. B. der Transport von einer zur anderen Maschine),
  • Kosten für ineffiziente Abläufe, die Verschwendung sind (z. B. zwischenlagern von Material, Nacharbeit),
  • Kosten für Überkapazität, wie z.B. Maschine ist nicht ausgelastet.

Integriert man diese Differenzierung der Kosten in unser Standard-Kostenrechnungssystem, so kann man ein effektives Lean Cost Management-System aufbauen. Basis dieses Systems bildet der Werterfassungsbogen und der Wertabrechnungsbogen, die in ihrer Struktur so aufgebaut sind, wie der BAB (Betriebsabrechnungsbogen). Das heißt, die bestehende Kostenrechnung wird fortgeführt und durch eine strukturähnliche Rechnung ergänzt, um die Effekte der Lean-Projekte aufzuzeigen und in den BAB überführen zu können.

Der Werterfassungsbogen bietet für jede Kostenstelle eine zusätzliche Differenzierung der Kosten hinsichtlich Überkapazität (Ü), Ineffizienz (I) und notwendiger Verschwendung (NV) an.

Effekte der Lean Management-Maßnahmen werden sichtbar, transparent und damit auch überwachbar. Weiterhin zeigt die Wertabrechnung, welche Veränderungen sich für die Zuschlagssätze ergeben, wenn effizient gearbeitet würde.

Vorteile eines Lean Cost Management-Systems sind

  • Fortführung des bestehenden Kostenrechnungssystems
  • Sinnvolle Ergänzung mit sehr guter Kosten-Nutzen-Relation
  • „Sehen lernen“ durch den Vergleich zwischen BAB und Wertabrechnung
  • Effekte der Lean Management-Maßnahmen werden sichtbar
  • Ergebnis der Wertabrechnung im Zeitverlauf zeigt die Erfolge auf dem Lean-Weg

Die möglichst genaue verursachengerechte Kostenzuordnung zur Vermeidung von hohen Gemeinkostenzuschlägen oder Umlagen jedweder Art spricht für die Einführung eines solchen Systems. Ob das mithilfe einer aufwändigen Prozesskostenanalyse oder einfachen Tätigkeitsstrukturanalysen und/oder qualifizierten Schätzungen der Prozesskosten gemacht wird, ist dabei nicht wirklich entscheidend. Wichtig ist nur, dass diejenigen befragt werden, die die Kosten verursachen und diese dann knallhart in die vier erwähnten Kostenkategorien eingeteilt werden.

Das Lean Cost Management und der einmalig durchzuführenden verursachungsgerechten Kostenzuordnung aller entstandenen Kosten legt die Basis für den Start in ein Lean-Unternehmen und gibt dem Controller das Werkzeug in die Hand,

  • Lean-Aktivitäten richtig zu beurteilen,
  • Maßnahmen im Lean-Kontext mit der richtigen Tendenz auszuweisen, das heißt Verbesserungen auch als Verbesserungen aufzuzeigen,
  • verständlicher und für jeden nachvollziehbare Analysen zu liefern,
  • aus Sicht der Wertschöpfung Missstände aufzuzeigen,
  • qualitative und quantitative Erfolge einer Lean-Initiative greifbar zu machen,
  • Engpässe zu identifizieren und
  • aus Sicht der Wertschöpfung zu rechnen und zu argumentieren.

Das heißt, das Aufgabengebiet des Controllers hört nicht beim Rechnungswesen heutiger Art auf, sondern er muss Zahlen, Daten und Fakten zur Verfügung stellen, die die Ziele des Unternehmens auf die unterschiedlichen Führungsebenen herunterbrechen, sie lebbar und gestaltbar machen. Basis hierfür bildet zum einen das Lean Cost Management mit der Wertabrechnung, zum anderen die Kreativität des Controllers, dem es gelingen sollte, seine Kunden im Wertschöpfungsprozess mit diesen für Lean relevanten Zahlen, Daten und Fakten zu unterstützen. Nur hierdurch wird man es schaffen, den Mindset der Mitarbeiter wirklich zu verändern, die vorgegebenen Ziele zu erreichen und das Unternehmen in ein Lean-Unternehmen zu verwandeln. Ein typischer Lean-Satz lautet: „Die heutige Situation ist immer die Schlechteste“. Nachhaltigkeit und kontinuierliche Verbesserung ist nur dann zu erreichen, wenn man am messbaren Erfolg das Erreichte festmachen kann, um dann die nächste Stufe der Veränderung anzustreben.

Quelle: Überarbeiteter Aufsatz: Der Controller als Lean Manager von Dr. Bodo Wiegand aus Controlling als Inhouse-Consulting, Springer-Gabler, 2012

Teil 3 von „Der Controller als Lean Manager“ folgt nächsten Freitag.

Bleiben Sie uns gewogen – bleiben Sie Lean.

Ihr Bodo Wiegand

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