Nach dem unserer 11. Lean Management Summit Anfang November wiederum mit hoher Kundenzufriedenheit, interessanten Gesprächen und wahrgenommenem Austausch an Erfahrungen absolviert haben, haben wir im November unseren 1. Lean Hospital Summit mit sehr guten Referenten und fachlich hochqualifizierten Teilnehmern durchgeführt.
Nach meiner Frage: „Warum waren Sie noch nie beim Lean Management Summit“, wurde damit beantwortet: „Im Krankenhaus ist alles anders.“
Stimmt das?
Das Produkt des Krankenhauses ist Gesundheit, daher mag ich das Wort Krankenhaus auch nicht. Der Kunde des Gesundheitshauses ist der Patient. Die Ärzte sind die Heiler, die Schwestern sind die Pfleger, die Verwaltung sind die Regeler, die technischen Bereiche sind die Dienstleister.
Das Problem: der Heiler heilt, der Pfleger pflegt, der Regler regelt und der Dienstleister leistet. Jeder macht seinen Job super und der Kunde – wo bleibt der Kunde?
Nun, der Heiler sieht den Patienten, der zu ihm kommt und etwas von ihm haben will, sein Produkt haben will – Gesundheit. Das heißt, der Patient will was von mir, also muss er nach meinen Regeln spielen.
Für die Regeler ist der Patient ein Fall mit einer Krankheit – dem Fall – und der dahinter versteckten Pauschale. Ziel: So wenig Ressourcen wie möglich beanspruchen, so schnell wie möglich raus und bitte bloß keine Komplikationen, sonst wird der Fall zum Verlustgeschäft. Deshalb nehmen ja privatgeführte Kliniken am liebsten gesunde Patienten auf.
Die Pfleger und Helfer arbeiten nach Anweisung von oben (Heiler) und nach Vorgaben von unten (Regeler), immer im Sinne des Patienten und auf dessen Wohlergehen bedacht – aber zwischen den Welten.
Die Dienstleister leisten und optimieren die Leistung und stellen diese den Ärzten zur Verfügung.
Das Ergebnis dieser Einzelleistungen – jeder hat es schon erlebt – wie meine Frau letztens bei einer vorstationären, geplanten Untersuchung. Die dauerte fünf Stunden, statt einer halben Stunde. Sie war genau zum Zeitpunkt X einbestellt, also alle Untersuchungen planbar und im One-piece-flow durchführbar – und? Sie hat mich danach ernsthaft gefragt, ob Sie in diese „Chaosklinik“ gehen sollte.
Also, warum ist im Gesundheitshaus alles anders – und einfaches so kompliziert?
Der Spruch: „Herr Wiegand, wir sind hier kein Automobilzulieferer“ kannte ich schon, von den Maschinenbauern, von Chemieunternehmen, von Versicherungen, von Banken, von Schiffsbauern, von Dienstleistern oder von Serviceunternehmen.
Wie oft hatte ich dies schon gehört?
Das Problem des Gesundheitshauses ist ganz einfach. Sie haben schier unüberwindbare Mauern bzw. Schnittstellen zwischen den 4 Fraktionen.
Schauen wir uns die Planung an: Da haben die Ärzte ihre OP-Planung, die Verwaltung ihre Bettenplanung, die technischen Bereiche ihre Kapazitätsplanung? Nichts ist aufeinander abgestimmt, keiner kann bei dem anderen reinschauen oder seine Planung mit den anderen Planungen abstimmen.
Quintessenz:
Troubleshooting, Troubleshooting und nochmals Troubleshooting nach dem Motto: Bei uns ist nichts planbar – d.h. nichts weiter, der Kunde stört und es werden mindestens 30% der Kapazitäten durch sinnloses Troubleshooting verschwendet. Das heißt, würde die OP-Planung, technische Planung, Bettenplanung koordiniert, das Austrittsmanagement vor dem Eintrittsmanagement begonnen, die Schnittstellen durch definierte Prozessabläufe nach festgelegten Prinzipien beherrscht, dann könnte man Ordnung ins angebliche Chaos bringen und würde nicht sehendes Auges 100% der Betten verplanen, wenn man weiß, dass ungefähr 40% der Patienten als Notfall reinkommen werden.
Aber das kennen Sie doch aus ihrem Unternehmen auch, wenn das Engineering sich nicht mit der Fertigung oder der Planung abspricht, gibt es voraussehbares Chaos. Das heißt, im Gesundheitshaus ist nichts anders als in unseren Unternehmen. Sie haben nur immer noch nicht erkannt, wer der Kunde ist und nicht gelernt, dass man Komplexität beherrschen kann – man muss es nur wollen.
Bleiben Sie uns gewogen – bleiben Sie Lean.
Ihr Bodo Wiegand