Frozen Zone

Heute hatte ich eine schöne Diskussion mit einem Mitarbeiter des Vertriebes. Ich hatte um das Gespräch gebeten, weil der Vertrieb quasi die Produktion gesteuert hat. Die Produktionsplanung war das Papier nicht wert, auf dem sie stand. Denn der Vertrieb steuerte wahllos um, zum Teil direkt in die Produktion hinein ohne die Fertigungssteuerung oder den Meister zu informieren. Ich habe ihn gefragt, warum das sein müsste. Der Vertriebsmanager hat mich versucht zu überzeugen, dass der Wunsch des Kunden heilig ist und das gesamte Unternehmen diesen Kundenwunsch realisieren müsste. „Der Kunde ist König, egal welchen Aufwand das kostet. Das ist doch Lean, Herr Wiegand?“

Ja, … aber

Die Fragen dazu kommen automatisch. „Wie ist Ihre Durchlaufzeit?“ „4 Wochen.“ „Und, wenn es richtig eilig ist? Der Feuerwehrauftrag – wie lange dauert er?“ „3 Tage“, war die Antwort.

Wie schon häufiger bemerkt, immer wieder kommt das Verhältnis 4 Wochen zu 3 bis 4 Tagen. Und Sie wissen ja, Durchlaufzeit ist der Maßstab in der Fertigung für Lean. Und dann kommt die entscheidende Frage: „Und welche Durchlaufzeit wäre für Sie wünschenswert?“ „2 Wochen, dann wären wir eine Woche schneller als die Konkurrenz.“ „Und welche Lieferzeit ist für den Kunden ertragbar?“ Die Antwort: „Na ja, die können froh sein, wenn wir sie in 3 bis 4 Wochen beliefern.“

Danke, das war‘s.

Eine Fertigung von 4 Wochen – also 20 Arbeitstage auf 2 Wochen, d.h. 10 Tage Durchlaufzeit zu trimmen, wenn die Feuerwehraufträge in 3 oder 4 ausgeliefert werden können, stellt sicher keine größere Schwierigkeit dar.

Dem Vertriebsmanager 100% Lieferfähigkeit innerhalb von 2 Wochen bei A- und B-Produkten zuzusagen sollte auch kein Problem sein.

Die Voraussetzung eine ABC-/XYZ-Analyse.

Ax-, Ay-, Bx-Produkte nennen wir A-Produkte -> Die Fertigungsstrategie hierzu: „made to delivery“. Diese Produkte werden nach wöchentlichem Bedarf fest eingeplant und gefertigt.

Die Az-,By-, Cx-Produkte sind B-Produkte und werden nach der Strategie „made to stock“ in einem min-/max-System vorgehalten.

Die Bz-/Cy-/Cz subsummieren wir unter C-Produkte und werden nur auf Auftrag des Kunden: „make to order“ geliefert.

Die Zeiten für diese Aufträge können fest eingeplant werden, d.h. die A- und B-Produkte werden in Reihenfolge optimiert fest verplant und Slots für die Fertigung von C-Produkten bis 14 Tage vor Produktion offen gehalten.

Ich habe ihm also vorgeschlagen, dass wir 100% Lieferfähigkeit bei einer Durchlaufzeit von maximal 2 Wochen garantieren können, aber der Vertrieb nicht mehr in die Fertigung eingreifen darf und wir eine sogenannte „Frozen Zone“ einführen werden.

„Aber es läuft doch heute alles super. Der Kunde ist zufrieden und wir sind flexibel. Also, warum sollten wir überhaupt etwas ändern? Das klappt doch nie, was Sie uns da vorschlagen. Mit ‚Frozen Zone‘ verlieren wir alle Flexibilität, unser einziger Pluspunkt gegenüber der Konkurrenz.“ „2 Wochen Lieferzeit statt 3 bis 4 Wochen, ja gut, aber Flexibilität ist wichtiger“.

„Lieber Mister X“, habe ich geantwortet. „Wissen Sie eigentlich, wieviel Sie diese Flexibilität kostet? Über 20% der Fertigungskosten entstehen dadurch, dass Sie ständig in die Produktionsplanung eingreifen, ungeplant Rüsten müssen, Vormaterial hin- und hertransportieren, und, und, und … Außerdem können Sie doch die A- und B-Produkte wöchentlich liefern. Nur bei den C-Produkten werden sich die Lieferzeiten eventuell verlängern.“

„Und wie lange wird die Frozen Zone sein?“ „Als Maß entspricht sie der Durchlaufzeit, also 2 Wochen, sodass jeder Auftrag seinen geplanten Durchlauf hat, ohne Produktionsunterbrechungen, ohne Umrüstzeiten, ohne Sonderbehandlung, ohne Zusatzaufwand, ohne aufwendige Planung und Auftragsverfolgung.“

„Und was passiert, wenn der Kunde anruft und unbedingt das oder das Produkt haben will?“ „Die B-Produkte werden aus dem Lager geliefert und dann nachproduziert, wenn das festgelegte Minimum erreicht ist.“

„Sollten sich bei den A-Produkten kurzfristige größere Bedarfsänderungen einstellen, muss man natürlich reagieren. Als Zeitbudget hätte man die Slots für die C-Produkte oder man muss gezielt die Nachproduktion von B-Produkten verschieben.“

„Dies sollte aber die absolute Ausnahme bleiben und muss mit dem Kunden besprochen werden.“

„Und was machen wir, wenn ein A-Kunde unbedingt auch sein C-Produkt innerhalb von 2 Wochen haben will?“ „Dann muss man mit dem Kunden sprechen und im Zweifel rückt dieses Produkt auf und wird als B-Produkt behandelt.“

„Und das funktioniert?“ „Ja, das funktioniert und die Fertigungskosten sinken um 20%.“ „Dann können wir ja noch konkurrenzfähiger anbieten.“

Jetzt hatte ich ihn.

Bleiben Sie uns gewogen – bleiben Sie Lean.

Ihr Bodo Wiegand

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