Was ist los in Deutschland? Siemens, Deutsche Bank, VW, Konzerne von Weltruf haben Probleme mit den Mitarbeitern und Ihrem Wertesystem.
Bitte nicht falsch verstehen. Ich will hier keinem – vor allem aber nicht dem Management Vorwürfe machen oder als Besserwisser verstanden werden. Ich möchte Zusammenhänge aufzeigen und Lösungsmöglichkeiten für das Problem anbieten.
Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Krisen einen Schwachpunkt in unserer gelebten Führungskultur schonungslos aufdecken.
Mal ganz ehrlich – auf was für eine gelebte Führungskultur blicken Sie in Ihrer Position? Sicher steht irgendwo die Vision, das Leitbild und die Ziele des Unternehmens, aber ich frage Sie: Ist das Ihre gelebte Unternehmenskultur?
Nein, ich glaube nicht.
Vielleicht klären wir erst einmal, was Unternehmenskultur ist.
Sie baut auf einem Wertesystem auf, welches sich wiederum auf gewisse organisatorische, führungs- oder sozialrelevante Prinzipien stützt.
Solche Prinzipien könnten zum Beispiel sein:
- Was der Chef sagt, wird gemacht – quasi diktarorisch. Die Folge davon: Der Mitarbeiter erledigt, wie angewiesen, seine Arbeit ohne selbst nachzudenken.
oder
- Wir geben keine Antworten sondern stellen Fragen. Daraus würde folgendes Führungsverhalten resultieren: Die Mitarbeiter werden dazu angeregt, selbst über das Problem nachzudenken und Lösungen vorzuschlagen. Durch Fragen werden sie zur richtigen Lösung geleitet und erkennen diese dann als ihre an und setzen diese dann auch nachhaltig und eigenverantwortlich um.
Sie sehen, welche ungeheure Kraft Prinzipien haben können, wenn sie denn vermittelt und gelebt werden.
Nicht verkehrt verstehen. Prinzipien sollen die Führungskraft nicht maßregeln, sondern ihr Leitplanken vermitteln, innerhalb derer sie sich bewegen kann und soll.
Ein solches auf Prinzipien gestütztes Wertesystem bildet sich allerdings nur über die Jahre aus, wenn sie durch die Vorbildfunktion der Führung und durch Vorleben dieser Kultur unterstützt wird.
Schauen wir uns die Realität an, dann sehen wir, dass eigentlich nur in gut geführten Familienunternehmen die Zeit vorhanden ist, eine solche Kultur aufzubauen.
Das sicher bekannteste Beispiel hierfür ist und war sicher Toyota mit der Familie Toyoda im Hintergrund. Dort wird das Wertesystem von Mentoren auf die nächste Führungsebene (Mentee) innerhalb von 8 bis 10 Jahren weitergegeben. Doch wie sieht es in der heutigen Unternehmenswelt aus? Führungskräfte wechseln im Dreijahresrhythmus, werden nur nach Zahlen, Daten und Fakten beurteilt. Dabei wird die Führungskultur dem Management fast ohne wenn und aber überlassen. Nach dem Motto: Der Erfolg heiligt die Mittel.
Man kann und darf die Führungskultur nicht den jeweiligen Managern überlassen. Führungsverhalten sollte Inhaber geprägt und Chefsache sein.
Schauen wir uns den Zusammenschluss zweier großer deutschen Stahlkonzerne an. Bei dem einen wurde eine Kultur der unternehmerischen Freiheit für das Management gefördert. Bei dem anderen waren es Top down-Entscheidungen, die ausgeführt werden mussten. Diese beiden Kulturen sind aufeinandergeprallt, ohne dass den Führungskräften ein Leitbild oder ein Wertesystem vermittelt wurde, wie man sich denn ein gemeinsames Führungsverhalten wünscht.
Ist das erfolgsversprechend?
Nein!
Es hat den Konzern Jahre der Beschäftigung mit sich selbst gekostet und den damit verbundenen Konsequenzen.
Gar nicht zu reden von den durch falsches Führungsverständnis gemachten und zum Teil zugelassenen Fehlern.
Versucht man zu begreifen, wie sich ein solches Fehlverhalten in den Hierarchien von Unternehmen entwickeln kann, gibt es sicher mehrere Erklärungsansätze beziehungsweise Beweggründe. In vielen Fällen ist Druck, Angst und Überforderung die Ursache für Vertuschung, Regeln brechen, Wahrheiten verschweigen oder Verstoß gegen das Wertesystem, etc. Das heißt, der Mensch, der so handelt, fühlt sich in einer Notsituation, aus der er sich nicht anders zu helfen weiß, ohne für sich, für seine Abteilung oder seine Mitarbeiter Nachteile in Kauf nehmen zu müssen.
Wenn wir gemeinsam feststellen, dass es wichtig ist, das Wertesystem der Führung, das erwartete Führungsverhalten, die gewünschte Aufgabenerledigung zu kennen – übersetzen wir es in die Sprache des Orchesters – also den Takt und die Tempi, kennen, dann könnte das Orchester sich darauf einstellen und gemeinsam die gleichen Ziele schneller, effizienter und erfolgreicher verfolgen. Denn dann weiß jeder, was verlangt und gefordert wird, kann sich darauf einstellen und seine Vorgehens- und Verhaltensweise in diesen Leitplanken darauf abstimmen.
Was ist also zu tun?
Die Inhaber bzw. der Vorstand oder die Geschäftsführer und das Aufsichtsratsgremium müssen ein gemeinsames Wertesystem basierend auf Prinzipien in Bezug auf Organisation, Führung und Umweltparametern (Historie, gelebte Kultur, Kunde, Mitarbeiter, Image, etc.) entwickeln.
Dieses Wertesystem bildet die Voraussetzung, um solche Katastrophen, wie wir sie heute erleben, zu vermeiden.
Ich behaupte, in einem gelebten Wertesystem, das alle Führungskräfte und Mitarbeiter kennen, mit den Prinzipien Fehlertoleranz und offene Kommunikation wäre ein solches Fehlverhalten nicht möglich, wäre es entdeckt beziehungsweise aufgedeckt worden. Denn das Prinzip Fehlertoleranz bedeutet: Ist ein Fehler erkannt worden, muss er gemeldet werden, ohne dass dies zur Herabstufung oder Verurteilung desjenigen führt, der ihn gemacht hat. Wird er verschwiegen oder zweimal gemacht, muss die Führungskraft allerdings ein Problem bekommen.
Das Prinzip offene Kommunikation bedeutet jeder kann offen mit jedem über alles und jeden kommunizieren, so lange dieser anwesend und es sachorientiert ist – auch über zwei Hierarchieebenen hinweg.
Aber, wie verändere ich das Führungsverhalten von Managern, Abteilungsleitern, Teamleitern und Mitarbeitern nachhaltig? Sicher nicht, in dem ich die Vision, das Leitbild, etc. aushänge oder als E-Mail versende. Wie können wir die Unternehmenskultur von Familienunternehmen adaptieren? Wie können wir die Mentor-Mentee-Ausbildung von 10 Jahren auf 6 Monate verkürzen?
Nun, wir haben das Tool Gehen Lernen entwickelt, ein interaktives, multimediales Lernsystem, um das Handeln von Führungskräften auf ein bestimmtes Wertesystem auszurichten. Dort werden Führungskräfte vor alltägliche Situationen gestellt und müssen diese Probleme im Sinne einer definierten Führungskultur lösen. Reagieren sie falsch, werden sie nicht bestraft oder gemaßregelt sondern auf den richtigen Weg im Sinne des festgelegten Wertesystems geleitet. Somit kann jede Führungskraft selbstständig und spielerisch erfahren, wie sie sich im Sinne des Wertesystems verhalten soll. Dies bietet dann Basis, Leitlinie und Regeln, eben Leitplanken für ihr Verhalten. Hierdurch kann die gesamte Führungsmannschaft ortsunabhängig in 3 bis 6 Monaten lernen, in welchem Wertesystem und in welcher Führungskultur, also in welchen Leitplanken die jeweilige Führungskraft nach dem Verständnis des Vorstandes, der Aufsichtsräte oder des Eigentümers handeln soll.
Darüber hinaus kann man den Mitarbeitern anhand von Beispielen und alltäglichen Situationen diese Regeln erläutern und damit ein gemeinsames Wertebild vermitteln.
Dies bedingt einen einmaligen Aufwand, der sich sicher lohnen wird.
Dies ist eine Lösung – sicher gibt es noch weitere – ich kenne nur keine, die in diesem Zeitfenster 600.000 Mitarbeiter oder 60.000 Führungskräfte gleichzeitig erreicht.
Lassen Sie mich zusammenfassen.
Ich glaube, dass eine gelebte, von allen getragene Unternehmenskultur ein ganz wichtiger Erfolgsfaktor ist, dem wir aber heute in unseren Unternehmen anscheinend keine Bedeutung beimessen. Dies halte ich für einen Fehler und damit für eine Schwachstelle.
Vielleicht lassen uns die Vorfälle der letzten Zeit umdenken und unsere Einstellung hierzu ändern.
Dann wäre viel gewonnen.
Bleiben Sie uns gewogen – bleiben Sie Lean.
Ihr Bodo Wiegand