2. Resümee meiner 36 Besuche – 7 Dienstleister und 2 Serviceunternehmen

Besuche bei Dienstleistungsunternehmen und Serviceunternehmen sind spannend und interessant zugleich.

Spannend, weil die meisten Produkte der Dienstleistungsunternehmen Informationen sind, diese aber nicht sichtbar sind.

Interessant, weil Serviceleistungen meist in der Fläche geleistet werden und nicht an dem Standort des Unternehmens selbst.

Eine fundierte Leistungsbeurteilung in 4–6 Stunden zu geben ist schwierig, wenn nicht gar unmöglich und doch kann es gelingen. Um jetzt nicht meine verehrten Beraterkollegen schlau zu machen, wie dies geht, werde ich mich auf die Ergebnisdarstellung beschränken.

Die Ergebnisse

Von den 9 besuchten Unternehmen waren 7 im Dienstleistungsbereich und 2 im Servicebereich angesiedelt.

5 der besuchten Unternehmen waren in der Projektphase – 2 in der Happy Kaizen – 2 in der Phase Wertstromorientierung. Allerdings war in keinem Unternehmen die Durchdringung nur ansatzweise gegeben. Das Beste war 1 Lean Experte auf 150 Mitarbeiter. Erschreckend auch, dass keines dieser Unternehmen ihre Prozesse durchgängig beschrieben haben. Jeder Fachbereich macht, was er meint machen zu müssen, gibt es an den nächsten weiter – dann, wenn er fertig ist, und zu welcher Qualität er fähig ist.

Ein Beispiel dieser arbeitsteiligen Vorgehensweise aus dem Servicebereich „Klimagerät funktioniert nicht“.

Der Auftrag wird im Callcenter angenommen und an die Auftragsbearbeitung weitergeleitet. Die Auftragsstelle erzeugt einen Auftrag und gibt diesen weiter an den Fachbereich Klimatechnik. Dieser schickt nach Absprache mit dem Kunden einen Monteur raus. Der stellt fest „Fan kaputt“ und ordert bei der Materialwirtschaft das Ersatzteil. Nach Benachrichtigung durch die Materialwirtschaft „Fan ist da“ verabredet er einen neuen Termin mit dem Kunden. Repariert das Klimagerät und gibt die Nachricht Auftrag erledigt und den Aufwand an die Auftragsstelle. Die gibt die Daten weiter an die Rechnungsstelle. Die stellt die Rechnung aus. Das Controlling prüft den Zahlungseingang und schließt den Auftrag ab.

Durchlaufzeit für die Reparatur 21 Tage, 2 x Fahrtkosten, Durchlaufzeit für die Abrechnung 7 Tage, Zahlungseingang 15 Tage. Mit der Auftragsabwicklung waren insgesamt 11 Mitarbeiter beschäftigt.

Kann man dies auch effizienter, effektiver und kundenorientierter nach Lean-Gesichtspunkten gestalten?

Ja, man kann.

Das Callcenter leitet den Anruf an den Fachbereich Klimatechnik weiter. Der stellt gezielte Fragen zum Gerätetyp und den möglichen Ausfallgründen. Auf dieser Basis wird eine Diagnose abgeleitet und online geprüft, ob das Ersatzteil am Lager ist oder bestellt werden muss. Auf Basis dieser Informationen wird direkt mit dem Kunden ein Termin vereinbart. Der Kunde erhält gleichzeitig den erwarteten Preis für diese Dienstleistung.

Für die Preisfindung verwendet er eine Modulmatrix, in der alle Leistungen beschrieben, die notwendigen Ersatzteile gelistet, die Fähigkeiten und Leistungen des Monteurs festgehalten und ein Preis für diese Leistung vorgegeben sind. Der Monteur fährt zum Kunden, erbringt die Leistung und übergibt die Rechnung und/oder kassiert den Betrag je nach Kundenverhältnis.

Durchlaufzeit im Regelfall bis zur Behebung des Schadens 3 Tage. Beteiligte Personen 3, Zeit für die interne Leistungserbringung < 1 Stunde.

Solche prozessorientierte, fallabschließende Bearbeitung findet man nur höchst selten und wurde nur in 2 der Serviceunternehmen als Vision angestrebt.

Das wichtigste Leistungsprinzip von Service- und Dienstleistungsunternehmen ist das Prinzip Standardisierung und Modularisierung von Produkten und Prozessen.

Aber, warum wird es nicht angewendet?

Warum also stellen Serviceunternehmen keine Modul- oder Leistungsmatrix auf, in der die Leistung selbst, die benötigte Qualifikation, die Werkzeuge, das Material, die begleitenden Vorschriften und Unterlagen, die Dauer der Leistungserstellung, die Anzahl der benötigten Personen und der Preis für diese Leistung beschrieben ist?

Die Vorteile liegen auf der Hand und sind offensichtlich :

  • Größere Kundenorientierung
  • Klareres Leistungsangebot
  • Leistungsvorgaben bei standortunabhängigen Leistungen
  • Höhere Qualität
  • Klarere Preisgestaltung

Ähnliches gilt für Dienstleistungen. Die Modularisierung und Standardisierung von Prozessen führt zu einer optimierten Leistung. Ändern sich Leistungsbestandteile, so braucht nicht die gesamte Leistung neu definiert zu werden, sondern nur der Teil, bzw. das Modul, dass sich ändert.

Doch waren alle 7 Unternehmen hiervon weit entfernt.

Die Gründe, warum dies so ist, scheinen klar. Die einzelnen Funktionen und Fachbereiche – man könnte sie auch Königreiche nennen – sind nicht bereit, Macht abzugeben und in eine irgendwie geartete schnittstellenübergreifende Prozessorientierung einzuwilligen. Das heißt : Anscheinend sind die Gewinne noch auskömmlich. Doch das glaube ich nicht. Besonders im Bereich der Versicherungen wird es eng und man kann sich solche Machtspielchen eigentlich gar nicht mehr leisten.

Bei den beiden Unternehmen, die in Richtung Wertstromorientierung gehen, wurden die Initiativen durch Berater unterstützt, die dann Veränderungen im indirekten Bereich durch eine Leistungsanalyse erreichen wollten. Wir nennen diese Tätigkeitsstrukturanalyse.

Die ersten Begrifflichkeiten, die den Mitarbeitern im Zusammenhang mit Lean beigebracht wurden, lauten : Verschwendung, unterstützende und wertschöpfende Prozesse. Das allein mit diesen Begrifflichkeiten Widerstände geweckt werden und Ängste entstehen, scheint klar.

Liebe Kollegen – 6 – setzen.

  1. Fängt man in den indirekten Bereichen ein Projekt so nicht an,
  2. benutzt man solche angsteinflößenden Worte nicht und
  3. betrachtet die Leistungsanalyse (Tätigkeitsstrukturanalyse) nur punktuelle, nicht schnittstellenübergreifende Aspekte.

Da ist es wieder, das von allen geliebte und von Beratern angepriesene Punkt-KAIZEN. Solchen Projekten stimmen alle gerne zu, da sie ja nur abteilungsintern abgearbeitet werden können und andere Bereiche nicht tangieren. Damit bleibt der Erhalt der Königreiche gesichert.

Liebe Wiegands‘ Warte-Leser, stoppen Sie solchen Unsinn.

Die Leistungs- bzw. Tätigkeitsstrukturanalyse ist ein nützliches, begleitendes Werkzeug und für den Einstieg in ein solches Projekt nicht geeignet.

Die Optimierung von administrativen Prozessen ist komplex und von Seiten der Mitarbeiter angstbehaftet. Wenn man ein Projekt so beginnt, weckt man massiven Widerstand und hinterlässt verbrannte Erde.

Die Dienstleistungs- und Serviceunternehmen stehen am Anfang ihrer Lean-Reise. Doch müssen sie sich der Industrialisierung ihrer Leistungen stellen, um produktiver und damit wettbewerbsfähiger zu werden.

Das heißt, sie müssen bereit sein, ihre Leistungen als Produkt zu sehen und zu verstehen. Solche Projekte beginnen mit dem Commitment der Führung. Diese müssen entscheiden, den Leistungserstellungsprozess schnittstellenübergreifend zu optimieren. Ist dieses Commitment nicht vorhanden, sollten Sie das Projekt nicht beginnen.

Außerdem ernten Sie mit einem solchen Projekt vielleicht 3 – 5% statt 20 – 30% Produktivitätsverbesserung.

Ist diese Voraussetzung – das Commitment der Führung – gegeben,

  • startet man ein solches Projekt mit der Entlastung der Führungskräfte und Mitarbeiter,
  • erstellt man eine Prozesslandkarte,
  • definiert man die Leistungen als Produkte,
  • optimiert die produktspezifischen Wertströme und
  • bezieht die Mitarbeiter mit ein, um die Nebenzeiten zu reduzieren und die organisatorischen Tätigkeiten nach Möglichkeit zu eliminieren.

So generiert man erfolgreiche Projekte und zufriedene Mitarbeiter.

Wenn Sie wissen wollen, wie das geht und was Erfolg hatte, machen Sie bei unserer LeanExchange-Initiative mit (https://lean-management-institut.de/index.php/lean-exchange). Werden Sie ein Teil des Ganzen.

Schon wieder steht Weihnachten vor der Tür. Völlig unvorhersehbar. Trotz dieser unplanbaren Unterbrechung Ihres normalen Alltags wünschen wir Ihnen, dass Sie über die Weihnachtstage die Ruhe finden, um mal wieder runterzukommen und zu entspannen.

Geben Sie den Menschen, die sie lieben, also Ihrer Familie und Ihren Freunden Ihr wertvollstes Gut – Ihre Zeit. Legen Sie den Laptop beiseite. Ja, das Smartphone auch uns seien Sie für genau diese Menschen da, die Ihnen persönlich gut tun und die Sie gerne um sich haben.

Das gesamte Team des Lean Management Instituts wünscht Ihnen eine wunderbare Weihnachtszeit, einen fröhlichen Rutsch in das neue Jahr 2017 – voller Tatkraft, Gesundheit und Erfolg.

Bleiben Sie uns gewogen – bleiben Sie Lean.

Ihr Bodo Wiegand

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