Manchmal muss man sich wirklich die Haare raufen. Da werden Maschinen kundenspezifisch gebaut – Individualisierung. Jede Maschine ein Unikat und doch haben alle die gleichen oder ähnlichen Funktionen.
Meine Frage, dass doch sicher zumindest die Grundfunktionen modular aufgebaut sind, wurde mit Erstaunen angehört und mit völligem Unverständnis zurückgewiesen.
Sie seien doch Spezialmaschinenbauer und würden immer auf die Kundenwünsche speziell eingehen – Individualisierung
Das bedeutet
- extra Konstruktionskosten,
- extra Materialbestellungen,
- extra Erstellung der Montageanleitungen,
- extra Einplanung des Auftrages in die Fertigung und darüber hinaus
- lange Lieferzeiten und
- hohe Preise.
Kein Wunder, dass der Umsatz rückläufig ist und die Kunden nicht mehr bereit sind für diese Extras zu bezahlen.
Vielleicht nochmal zur Erinnerung:
Wir leben in Zeiten des Business on Demand.
Die Wettbewerbsfaktoren der heutigen Zeit heißen:
- Verfügbarkeit der Produkte
- Individualisierung der Funktionen
- Qualität als Selbstverständnis
- bei wettbewerbsfähigen Kosten
Mit der Lean Management Philosophie
Werte ohne Verschwendung schaffen
und den damit verbundenen Prinzipien für die Maschinenbaubranche
- Kundenorientierung
- Wertstromorientierung
- Standardisierung und Modularisierung von Produkten und Prozessen
- Streben nach Perfektion
lassen sich alle 4 Wettbewerbsfaktoren gleichzeitig optimieren.
Und warum in Gottes Namen nutzt man dieses Wissen nicht ????
Lean = seit jeher ein Erfolgskonzept: Individualisierung und Komplexität
Die Römer haben Ihr Imperium nur auf Basis der Standardisierung ihrer Waffen, Bauten, Verkehrswege, Infrastruktur, Administration und Abläufe aufbauen können.
Der Reichtum der Venezianer im Mittelalter ist nur darauf zurückzuführen, dass sie ihre Schiffe standardisiert und in den Arsenalen von Venedig eine Werft aufgebaut haben, die es vermochte, jeden Tag ein neues Schiff zu bauen.
Nicht zuletzt ist der 2. Weltkrieg dadurch entschieden worden, dass es den Amerikanern gelungen ist, eine ungeheure transatlantische Logistik aufzubauen, in dem sie es geschafft haben, eine riesige Anzahl standardisierter Versorgungsschiffe innerhalb von jeweils 40 Tagen fertigzustellen, zu beladen und auf den Weg nach Europa zu bringen.
Hewlett Packard hat schon vor mehr als 15 Jahren modular aufgebaute SAP Computer mit standardisierten Schnittstellen gebaut, um die Individualisierung ihrer Produkte erst am Ende, durch die Montage, vornehmen zu können und dem Wunsch seiner Kunden, nach einer Lieferung in 2 Tagen, damit Rechnung zu tragen.
In der Automobilindustrie ist die Standardisierung von Schnittstellen und Modularisierung gängige Praxis.
Warum lernen die Maschinenbauer und Gerätehersteller nicht aus diesen Erfolgsstories ???
Für den angesprochenen „Spezielmaschinenbauer“ wäre es kein Problem 3 Leistungsklassen als jeweiliges Grundmodell zu bilden und dann die Individualisierung im letzten Schritt der Montage vorzunehmen:
- Kosten würden reduziert,
- eine kurze Lieferzeit gewährleistet,
- die Qualität auf Basis der geprüften Grundmodelle sichergestellt und
- alle Kundenwünsche erfüllt.
Individualität würde produziert und damit selbst aufgebaute Komplexität enorm reduziert.
Es wäre so leicht… man muss es nur wollen und alte Gewohnheiten und Denkweisen über Bord schmeißen…
Ansonsten – so fürchte ich – wird man den Kampf verlieren…
Bleiben Sie uns gewogen – bleiben Sie lean!
Ihr Dr. Bodo Wiegand